
Der Alleskönner
Und? Was kannst du, hatten sie ihn gefragt. Er hatte kurz nachgedacht. Was sollte er sagen? Er konnte so vieles. Er konnte sehen. Er konnte schmecken. Er konnte hören. Er konnte riechen. Er konnte fühlen. Er konnte ohne Zweifel auch denken und sprechen, rennen und verweilen, planen und handeln. Manchmal konnte er sogar helfen, mitfühlen, zuhören und trösten. Und oft konnte er lachen, selten auch weinen. Er antwortet also wahrheitsgemäß, dass er ein Alleskönner sei. Da lachten sie ihn aus.
(28 November 2020)
Seit er über dem Berg war, ging es bergab.
Da entschloss er sich, umzukehren.
(29 November 2020)
Du und ich
Wie soll ich sein
Wie sieht du mich
Was erwartest du
Liebst du mich?
Wie kann ich gefallen
Was soll ich erfüllen
Was denkst du von mir
Kann ich mich enthüllen?
Was wirst du sagen
wenn ich nicht mehr bin
Wirst du dich freuen
dass ich schon ging?
Ich werde es nicht wissen
bin nur bis dahin.
(2 December 2020)
In der Hand der Stift. Fast ohne Zittern. Die Unruhe weit innen. Verborgen. Die Angst noch sprachlos, formlos, gierig. Was, wenn sie sein dürfte? Wenn Angst Worte fände? Die Angst vor dem Tod. Die Angst vor Krankheit. Die Angst vor Schmerzen. Die Angst vor Verlust. Die Angst vor Demütigung. Was würde geschehen? Wenn wir sie fassen könnten die Angst, weil sie Worte auf Papier wären, schwarz auf weiß. Dann könnten wir sie ansehen die Angst, überarbeiten, zerknüllen, aufhängen, bewahren, ihr überdrüssig werden. Dann könnten wir die Angst vielleicht manchmal sogar vergessen.
(19 December 2020)
Schach an Heilig Abend
Ein leuchtender Globus spendet spärlich Aufmerksamkeit in der Dachkammer der verräumten Kindheit. Auf dem Holzbrett klammert Weiß letzte Hoffnung. Draußen Dämmerung seit dem Morgengrauen. Heller Rauch bläst aus kleinen Schornsteinen wie Nebelmaschinen vor Konzertbeginn. Warten auf Anfang. Vergeblich. Stille. Nacht. Die dunkle Fensterscheibe beschlagen. Tausend Tropfen zeichnen Gitterstäbe auf dem Weg nach unten. Drinnen geht ein Licht auf. Schwarz gewinnt.
(24 December 2020)